Wenn Medikamente dick machen

Dresden (SLAK, 20.05.2022): 

Gewichtszunahme als unerwünschte Nebenwirkung – was helfen kann

Übergewicht schadet der Gesundheit – und oft auch dem Selbstwertgefühl. Besonders vertrackt: Wenn das Körpergewicht erst im Zuge einer gebotenen Arzneimittel-Therapie ansteigt – eine Nebenwirkung, die etwa bei Kortison, Betablockern oder Insulin häufig auftritt. Doch die „Arzneimittel-Kilos“ sind kein unabwendbares Schicksal, wie Göran Donner, Vizepräsident und Pressesprecher der Sächsischen Landesapothekerkammer weiß: Wirksam gegensteuern können Arzt und Patient oft schon mit einer angepassten Dosis. Auch ein Wechsel des Wirkstoffs oder ein geänderter Lebensstil können helfen.

Herr Donner, warum führen manche Arzneimittel dazu, dass man zunimmt?

Wenn das Körpergewicht während einer Arzneimittel-Therapie ansteigt, kann das verschiedene Ursachen haben: Manche Mittel regen den Appetit an, andere drosseln den Energiestoffwechsel. Wieder andere bewirken Wassereinlagerungen im Körper oder führen zu Muskelabbau und damit zu einem verminderten Energie-Grundumsatz. Auch Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit und erhöhtes Durstgefühl spielen mitunter eine Rolle, wenn die Waage immer mehr anzeigt. Nicht zuletzt können Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln dafür verantwortlich sein. Wer also Medikamente einnimmt und eine Gewichtzunahme beobachtet, sich aber ernährt und bewegt wie sonst auch, fragt am besten erstmal die Arzneimittelexperten in der Apotheke, ob es da einen Zusammenhang geben kann.

Bei welchen Arzneimitteln ist das denn besonders wahrscheinlich?

Eine ungewollte Gewichtszunahme beobachten zum einen häufig Menschen, die Betablocker, Kortison oder Mittel gegen Diabetes anwenden. So erhöht beispielsweise Kortison, das etwa bei Rheuma und anderen entzündlichen Prozessen hilft, den Appetit und senkt gleichzeitig den Energieverbrauch – klar, dass man da leicht zunimmt. Betablocker wie Bisoprolol oder Metoprolol, die gegen hohen Blutdruck und Herzprobleme wirken, machen wiederum träge – wer hier nicht gegensteuert, riskiert ebenfalls mehr Pfunde auf der Waage. In der Diabetes-Therapie gehören Insulin und Sulfonylharnstoffe zu den „üblichen Verdächtigen“: Insulin erhöht als Nebenwirkung die Fettmasse im Körper, was wiederum eine höhere Insulingabe erfordert – ein Teufelskreis. Sulfonylharnstoffe fördern die körpereigene Insulinausschüttung und können so ebenfalls eine Gewichtszunahme bewirken. Bei den neueren Substanzen wie Glibenclamid ist dieser Effekt jedoch weniger ausgeprägt.

Psychopharmaka stehen ja ebenfalls in dem Ruf, dick zu machen. Was ist da dran?

Das ist in der Tat bei einer ganzen Reihe von Psychopharmaka ein Problem. Betroffen sind vor allem atypische Neuroleptika, aber auch „klassische“ Antipsychotika wie Lithium oder Haloperidol, dazu antiepileptische Arzneimittel und viele Medikamente gegen Depressionen, etwa selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, aber auch Amitriptylin oder Mirtazapin. Bei manchen dieser Mittel tritt der Effekt erst nach längerer Einnahme auf. Allerdings reagiert nicht jeder Patient auf jeden Wirkstoff gleich. Manche nehmen zu, manche nicht, das lässt sich leider nicht vorhersagen.

Wie steht es mit hormonellen Verhütungsmitteln wie der „Pille“?

In der Tat bringen viele Frauen, die per Antibabypille, Vaginalring, Hormonpflaster oder Spirale verhüten, eine eventuelle Gewichtszunahme damit in Verbindung. Allerdings konnte bislang keine wissenschaftliche Studie einen solchen Zusammenhang nachweisen. Meist sind mehrere Faktoren im Spiel: So können Estrogene die Einlagerung von Wasser ins Gewebe fördern und/oder die Hormone generell den Appetit anregen. Aber solange der Body Mass Index im Normalbereich zwischen 18,5 und 24,9 liegt, besteht aus medizinischer Sicht kein Handlungsbedarf.

Und was kann man gegen das arzneimittelbedingte „Mehr“ auf der Waage tun?

Ganz wichtig: Auf gar keinen Fall darf man die ärztlich verordneten Medikamente einfach absetzen – das kann, etwa bei Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, lebensgefährlich sein! Stattdessen sollte man gemeinsam mit Arzt und Apothekerin nach dem geeigneten Weg suchen. Wie der aussieht, hängt vom Medikament ab bzw. den Beschwerden, die damit behandelt werden. Das kann ein anderer Wirkstoff sein – für fast alle genannten Beschwerden gibt es gewichtsneutrale oder sogar gewichtsreduzierende Alternativen. Oder man passt die Dosierung an: Bei längerfristiger Kortison-Einnahme sollte man schrittweise auf eine möglichst niedrige Dosis reduzieren. Bei Wassereinlagerungen – die ja eigentlich keine echte Gewichtszunahme darstellen – kann die parallele Einnahme von entwässernden Medikamenten sinnvoll sein. Wer ständig Appetit hat, nimmt seine Arzneimittel – sofern möglich und mit Ärztin oder Apotheker abgesprochen – vielleicht besser abends ein. Ist der Mund trocken und quält einen ständiger Durst, sollte man statt zu zuckerhaltigen Getränken zu Wasser oder ungesüßten Tees greifen. Nicht zuletzt helfen viel Bewegung – das hebt auch die Stimmung! – und eine gesunde, vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung: Vollkornprodukte sättigen langfristig, viel Gemüse und frisches Obst liefern wichtige Nährstoffe, „gute“ Fette wie die in Olivenöl, Lachs oder Avocado verträgt der Körper besser, fettarme Milchprodukte versorgen ihn mit wertvollem Eiweiß. Das tut nicht nur der Figur gut, sondern auch dem Immunsystem und dem allgemeinen Wohlbefinden. Und wenn man vieles davon beherzigt, aber trotzdem nur unwesentlich abnimmt, sollte man sich immer wieder vor Augen führen, welchen Nutzen die Therapie bringt: Sie kann das eigene Leben verlängern und/oder gravierende körperliche bzw. seelische Leiden lindern – da sind ein paar Kilo mehr vielleicht leichter zu akzeptieren.


Pressekontakt:

Göran Donner
Löwen-Apotheke
Kirchplatz 2,
01744 Dippoldiswalde
Tel.: 03504/ 61 24 05 / E-Mail: vizepraesident@slak.de

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