Keine Angst vor Psychopharmaka

Dresden (SLAK, 07.10.2021): 

Leidet die Seele, sind Arzneimittel ein wichtiger Therapie-Baustein

Körperliche Erkrankungen mit Arzneimitteln zu behandeln: Das finden die meisten Menschen völlig normal. Leidet jedoch die Psyche, möchten viele lieber keine Tabletten schlucken – meist aus Angst vor Nebenwirkungen und Abhängigkeit. Doch Psychopharmaka sind weit besser als ihr Ruf und bei der Therapie psychischer Erkrankungen oft unverzichtbar. Zum Tag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober erklärt Göran Donner, Vizepräsident und Pressesprecher der Sächsischen Landesapothekerkammer, was jeder über Psychopharmaka wissen sollte.

Herr Donner, viele Menschen haben Vorbehalte gegen Arzneimittel, die auf die Psyche wirken. Was entgegnen Sie ihnen?

Dass das unbegründet ist – und dass Psychopharmaka hierzulande eine immer wichtigere Rolle spielen: Weil psychische Erkrankungen, vor allem Depressionen, zunehmend aber auch Schizophrenie, Angststörungen oder Burnout diagnostiziert werden, gehören sie mittlerweile zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. In Deutschland werden heute siebenmal so viele Antidepressiva verordnet wie vor knapp 30 Jahren, 2017 waren es 14 Millionen Tagesdosen.* Meist erfordern psychische Erkrankungen eine ganzheitliche Behandlung, die neben Arzneimitteln auch Psychotherapie und weitere Maßnahmen umfasst. Doch oft ermöglicht erst die passende Medikation, dass ein Patient etwa eine Psychotherapie überhaupt in Angriff nehmen und wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.

Wie erklären Sie sich die Vorbehalte?

Psychische Erkrankungen wurden lange Zeit tabuisiert. Deshalb tun sich viele Patienten schwer damit, ihre Krankheit – und damit auch deren Behandlung – zu akzeptieren. Zudem wirken Psychopharmaka nicht irgendwo im Körper, sondern aufs zentrale Nervensystem: Sie greifen in den Gehirnstoffwechsel ein, weil dieser aus dem Gleichgewicht geraten ist. Dadurch verändern sie die psychische Verfassung – so wie zuvor die Krankheit auch. Aber genau das ist vielen Menschen unheimlich. Sie befürchten, dass die Mittel ihre Persönlichkeit verändern, sie „ruhigstellen“ sollen oder gar abhängig machen. Nicht zuletzt fürchten viele starke Nebenwirkungen – meist zu Unrecht. So sind zum Beispiel Antidepressiva in der Regel gut verträglich.

In Sachen Nebenwirkungen geben Sie also Entwarnung?

Wie bei anderen Arzneimitteln kann es auch bei Psychopharmaka zu Neben- und/oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen. Gerade zu Behandlungsbeginn muss man mit Nebenwirkungen rechnen. Deshalb darf man diese Mittel nur unter strenger ärztlicher Kontrolle anwenden, ggf. muss der Arzt bei der Dosierung nachjustieren oder das Medikament noch mal austauschen. Keinesfalls aber dürfen Patienten Psychopharmaka eigenmächtig absetzen oder die Dosierung verändern!

Allerdings hat die Entwicklung von Psychopharmaka in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht: Viele Nebenwirkungen konnten abgeschwächt oder ganz ausgeschaltet werden, etwa, weil die Wirkstoffe gezielt nur dort eingreifen, wo die Krankheit ihre Ursache hat – indem sie z. B. ausschließlich einen bestimmten Botenstoff oder Rezeptor blockieren. Je besser ein Patient versteht, wie ein Medikament wirkt und welchen Nutzen es ihm bringt, desto eher wird er es zuverlässig und wie verordnet einnehmen – das gilt für alle Arzneimittel. Wer zu seiner Medikation Fragen hat, ist in der Apotheke an der richtigen Adresse: Dort informiert, erklärt und berät man jeden Patienten individuell und diskret.

Und was sagen Sie zum Thema Abhängigkeit?

Die meisten Medikamentengruppen – genauer: Mittel gegen Depressionen, Psychosen, Ängste, Demenz sowie Stimmungsstabilisierer – machen nicht abhängig, selbst bei längerfristiger Anwendung. Dennoch darf man sie bei Behandlungsende nicht einfach komplett absetzen. Stattdessen reduziert man die Dosis in Absprache mit dem Arzt Schritt für Schritt – das so genannte „Ausschleichen“. So kann sich der Stoffwechsel allmählich umstellen.

Tatsächlich Vorsicht geboten ist bei Schlafmitteln, allen voran solchen mit Benzodiazepinen. Oft „gewöhnt“ sich der Körper schon nach wenigen Wochen an sie, so dass für die gewünschte Wirkung allmählich eine immer höhere Dosis nötig ist. Das kann bis zur körperlichen und/oder psychischen Abhängigkeit gehen – eine Gefahr vor allem für die beiden „Hauptkonsumentengruppen“ Frauen und ältere Menschen. Wer das verhindern will, hält sich bei Benzodiazepinen, aber auch bei den sogenannten Z-Substanzen Zolpidem und Zopiclon stets an die 4-K-Regel: Klare Indikation – Kleinstmögliche Dosis – Kurze Anwendungsdauer – Kein schlagartiges Absetzen.

Wichtig zu wissen ist auch: Schlaf- und Beruhigungsmittel dämpfen generell das Reaktionsvermögen, oft noch am nächsten Morgen. Deshalb sollte man während der Behandlung z. B. aufs Autofahren verzichten. Zudem kann es zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln kommen: H1-Antihistaminika etwa, die häufig bei Allergien eingesetzt werden, aber auch als Schlafmittel erhältlich sind, verstärken die Wirkung vieler Psychopharmaka. Wer hier auf der sicheren Seite sein will, sollte sich unbedingt in der Apotheke beraten lassen. Dort bekommt man auch Tipps, wie sich die Schlafqualität ganz ohne Medikamente verbessern lässt, etwa durch Verzicht auf TV, PC und Alkohol am Abend.

Was ist mit sogenannten „Aufputschmitteln“?

Antriebssteigernde Substanzen, die kurzfristig das Leistungs- und Konzentrationsvermögen erhöhen, sind eigentlich nur für die Behandlung von z. B. ADHS und Narkolepsie gedacht. Man weiß aber, dass viele Menschen sie auch ohne medizinische Gründe einnehmen – weil sie hoffen, damit leistungsfähiger in Studium oder Beruf zu sein und so den steigenden Anforderungen besser genügen zu können. Dieses „Doping am Arbeitsplatz“ ist aber eine Pseudo-Lösung, denn damit verändert man ja die belastenden Umstände nicht. Dauerhafter Stress macht krank – aber es gibt viele Wege, ihn auch ohne Medikamente zu bewältigen. Neben viel Bewegung und Sport eignet sich dazu zum Beispiel eine Psychotherapie: Dort kann man die eigene Lösungs- und Bewältigungskompetenz gezielt stärken.

 

*Quelle: https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/sind-antidepressiva-wirklich-wirksam/


Pressekontakt:

Göran Donner
Löwen-Apotheke
Kirchplatz 2,
01744 Dippoldiswalde
Tel.: 03504/ 61 24 05 / E-Mail: vizepraesident@slak.de

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