Unterschätzte Gefahr: Arzneimittel im Straßenverkehr

Dresden (SLAK, 19.04.2021): 

Auch Medikamente können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen

Sie können müde, unkonzentriert oder zittrig machen, lassen uns langsamer reagieren oder schlechter sehen: Manche Arzneimittel beeinträchtigen die Fahrtüchtigkeit ebenso wie Alkohol und Drogen. Ein Risiko, das vielen Verkehrsteilnehmern jedoch nicht bewusst ist – obwohl es längst nicht nur starke, verschreibungspflichtige Medikamente betrifft. Bei welchen Arzneimittelgruppen besondere Vorsicht geboten ist, weiß Göran Donner, Vizepräsident und Pressesprecher der Sächsischen Landesapothekerkammer.

Herr Donner, Alkohol und Drogen haben im Straßenverkehr bekanntlich nichts zu suchen. Wie ist das bei Medikamenten?

Das kommt aufs jeweilige Mittel an. Bei rund einem Fünftel aller Arzneimittel wissen wir, dass sie die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen können, weil sie das Wahrnehmungs- und Reaktionsvermögen einschränken. Da diese Wirkung aber von Patient zu Patient unterschiedlich stark sein kann, ist eine starre Promille-Höchstgrenze wie etwa beim Alkohol nicht sinnvoll. Andererseits können Menschen bekanntermaßen ihre Fahrtauglichkeit selber kaum realistisch einschätzen. Umso wichtiger ist es, sich rechtzeitig in der Apotheke beraten zu lassen – zum eigenen Schutz und zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer. Denn bis zu zehn Prozent aller Verkehrsunfälle lassen sich ganz oder teilweise auf Nebenwirkungen von Medikamenten zurückführen.

Woran merkt man denn, dass man die Finger besser vom Steuerrad lassen sollte?

Je nachdem, wo und wogegen Arzneimittel wirken, verschlechtern sie z. B. das Sehvermögen, beruhigen oder machen müde, senken den Blutzuckerspiegel, wirken aufs Herz-Kreislauf-System oder das zentrale Nervensystem. Anzeichen für letzteres sind u. a. Schwindel, Unruhe oder Benommenheit. Betroffen sind längst nicht nur starke, verschreibungspflichtige Mittel, sondern auch rezeptfrei erhältliche Mittel, etwa Schlaf- und Schmerzmittel, Arzneimittel gegen Allergien oder Grippemittel – ein Grund mehr, sich bei der Selbstmedikation stets ausführlich in der Apotheke beraten zu lassen.

Gibt es zusätzliche Risikofaktoren?

Ja, die gibt es. Besondere Vorsicht ist stets geboten, wenn man mehrere Medikamente parallel einnimmt: Hier können sich die unerwünschten Wirkungen nämlich gegenseitig verstärken. Dasselbe gilt für Alkohol – auch deshalb sollte man während einer Arzneimittel-Therapie generell darauf verzichten. Und nicht zuletzt kann bei einigen Präparaten speziell der Therapiebeginn problematisch sein – auch darüber klärt das Apothekenpersonal auf.

Und bei welchen Medikamenten ist nun besondere Vorsicht geboten?

Betroffen sind z. B. Augenpräparate, weil sie fast immer die Sicht beeinträchtigen, sowie Schlaf- und Beruhigungsmittel, weil die Fahrtüchtigkeit noch am nächsten Morgen stark herabgesetzt sein kann – zumal, wenn Alkohol oder weitere Arzneimittel im Spiel sind. Auch einige Mittel gegen Parkinson oder Heuschnupfen können zu plötzlichem Einschlafen führen oder zumindest sehr müde machen, speziell zu Therapiebeginn. Solche Mittel nimmt man daher, wenn möglich, am besten abends vor dem Schlafengehen ein. Besonders zu Beginn der Einnahme wirken sich oft auch Psychopharmaka negativ aus, und das sogar mehrfach: Sie machen häufig nicht nur müde, sondern beeinträchtigen auch die motorische Reaktionsfähigkeit. Mittel gegen Muskelverspannung sowie Hustenblocker wirken sich ebenfalls oft dämpfend aufs zentrale Nervensystem aus – das kann zusammen mit Alkohol und/oder Beruhigungsmitteln bis zur Benommenheit führen. Eine Nebenwirkung, die auch starke Schmerzmittel hervorrufen können, wenn die Dosierung nicht individuell austariert ist. Nicht zuletzt kann bei Insulin oder Arzneimitteln zur Behandlung von Diabetes durch Unterzuckerung das Reaktionsvermögen deutlich schlechter sein. Diabetiker sollten daher vor und in den Pausen während langer Autofahrten regelmäßig den Blutzuckerspiegel messen und für den Notfall immer Traubenzucker mit sich führen.

Und wenn man solche Medikamente dauerhaft einnimmt, darf man nie wieder Auto fahren?

Zunächst: Es geht nicht nur ums Auto. Auch Fahrrad, Roller etc. sind tabu. Oft ist ein Fahrverzicht aber nur vorübergehend nötig, weil ein Medikament neu verordnet oder die Dosis verändert wurde. Sobald der Patienten stabil eingestellt ist, kann er sich möglicherweise auch wieder ans Steuer setzen. Keinesfalls jedoch sollten Patienten die verordnete Dosis eigenmächtig verändern. Und ob beispielsweise Herzpatienten oder Epileptiker Auto fahren dürfen oder nicht, entscheidet der Arzt im Einzelfall, denn neben der Medikation spielt dabei auch die Anfallswahrscheinlichkeit eine Rolle. Ein Fahrverbot aussprechen kann der Arzt ohnehin nicht, aber er muss den Patienten darüber aufklären, warum und wie sein Fahrvermögen eingeschränkt ist – und ihm deutlich machen, dass er sich und andere gefährdet, wenn er es trotzdem tut.

Was kann denn – außer einem Unfall – schlimmstenfalls noch passieren?

Was die wenigsten wissen: Krankheit schützt vor Strafe nicht. Wer einen Unfall verursacht, weil die Fahrtüchtigkeit durch Krankheit oder Medikamente herabgesetzt war, muss vor Gericht mit den gleichen Konsequenzen rechnen wie alkoholisierte Unfallfahrer. Oft zahlt dann auch die Kfz-Versicherung weniger oder gar nicht. Die Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr oder die Taxi-Rechnung sind allemal billiger – zumal die Krankenkasse hier unter Umständen einen Teil der Kosten erstattet.


Pressekontakt:

Göran Donner
Löwen-Apotheke
Kirchplatz 2,
01744 Dippoldiswalde
Tel.: 03504/ 61 24 05 / E-Mail: vizepraesident@slak.de

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